Liebes Archiv … Einträge vom Mai 2006

Wann kommt der Tsunami?

Wir hocken hier und fühlen uns sicher in unserem Europa, wielange noch, wann schlägt das Packeis zurück? Wann kommt die Eiszeit? Wann stellt der Golf seinen Strom ab? Wann kommt die Flut? Wann brechen die Vulkane in der Eifel auf? Bis dahin sitzen wir gemütlich im Sessel und begaffen die Indonesier, Komoranomanen (oder wie die heißen) und die anderen in der Tagesschau. Ich hab meinem Gewissen (das ich garnicht habe, hehe) ein kleines Zuckerchen gegönnt, damit es die Klappe hält, und ein paar Mark nach Java gespendet, wo sie nach den fetten Erdbeben krasse Angst vor einem Vulkanausbruch haben und sich mit Plastikplanen vor dem Regen schützen. Ach, wat jeht et uns jut.

[] Berlin / Mittwoch, 31. Mai 2006

Reichstach mit Pille.

   
Ich kann doch wohl verlangen, daß vernünftiges Frühlingswetter herrscht, wenn ich aus der Ferne zurückkehre, oder?! Bauern und Pflanzen hin oder her, so kann ich nicht arbeiten! Stadtrundgänge fallen ins Wasser, Fotos werden nix, was soll das?!
Ich bin wegen des Frühlings hier, bitte sehr!
Ach, übrigens, die Pille ist eines der beige-glänzenden Kunstwerke, die Deutschland als Land der Ideen preisen sollen. Mal sehen, was wir noch drauf haben, außer Pillen drehen.

[] Berlin / Mittwoch, 31. Mai 2006

Nachruf auf Bahrein?

Wieder schwebe ich zwischen dem Platz den ich gerade verlassen habe und dem wo ich just aufgeschlagen bin. Die Bude gleicht einem Schlachtfeld und die Liste derer, die von meiner Ankunft benachrichtigt werden müssen ist lang. Das bereits im Juli letzten Jahres bemühte Puzzle des Heimkommens liegt wieder vor mir und will zusammengekloppt sein. Die Teile liegen weit verstreut und ich weiß nicht wie sie aussehen. Nachruf auf Bahrein? Oder auf Bahrain? Ich freß zum Bier die russischen Kalmarstreifen aus Kaliningrad, die im Küchenschrank lagen und mir fehlt der Faden, der Faden der mich mit dem kleinen Eiland verbindet, auf dem ich gerade vor vier Tagen noch ziemlich erstaunt meiner Rückreise harrte, erstaunt weil ungläubig, wie immer, daß die Zeit abgelaufen ist, so plötzlich. Der Faden, er ist abgerissen. Nachruf kommt später.

[] Zuhause / Montach, 29. Mai 2006

Dorfdisko.

   
Ereignisse überschlagen sich, die eine Schublade noch nicht zugemacht, und es springt schon die nächste auf! Dorfdisko an der Spree, zünftige Festreden, Kapellen auf der Schaubühne, die Dorfjugend frohlockt! Doch mit soviel Andrang scheinen die Veranstalter nicht gerechnet zu haben, auf dem anderen Ufer des Flusses gab es außer Regen nichts zum trinken. Und Schlag elf war die Musik aus und alles strömte nach Hause. Der Vergleich mit einem Dorffest ist eigentlich eine Beleidigung, da brennt doch die Luft!

[] B… / Freitach, 26. Mai 2006

Wasser hat keine Balken.

   
Letztes Abenteuer und erste Fahrt auf dem Meer vor Bahrein. Wir verlieren zwei der Wobbler und fangen dann mit den Tintenfischködern nichts außer einem kleinen Wasweißich, der unter dem Beutel Eis einsam seine lautlose Arie singt, bis ihm die Stimme wegbleibt.

[] Manama / Donnerstach, 25. Mai 2006

Tach Herr Minister.

Der Herr Außenminister hat auf seiner hektischen Reise in den nahen Osten natürlich auch auf der Perle des Golfes haltgemacht. Und selbstverständlich hat er es sich nicht nehmen lassen, mir die Hand zu schütteln vor einem Dutzend klickenden Kameras! Gestern abend war ich leider vollauf mit meiner Abschiedsfeier beschäftigt und konnte nicht alle Fernsehsender abgrasen um mich endlich mal wieder in der Glotze zu sehen, aber Vertreter einiger deutscher Zeitungen werden mit Sicherheit seitenlang über dieses Ereignis berichten, wie sie es immer tun, wenn zwei so hochkarätige Persönlichkeiten aufeinandertreffen. Ich warte gespannt, Spiegel, Zeit und Süddeutsche als auch FTD und Handelsblatt werden Milliardenauflagen machen!

[] Manama / Mittwoch, 24. Mai 2006

Sündenpfuhl Bahrein?

Wohlwollende nennen Bahrein das liberalste Land am Golf, ein islamisches Land, in dem es sich leben läßt. Andere schimpfen über unislamische Zustände.
Arabische Weiblichkeit präsentiert sich hier ganz in schwarz oder modisch-sommerlich, die Herren der Schöpfung im traditionellen Gewand oder mit gelstarren Haaren und kurzen Hosen, erlaubt scheint, was gefällt.
Bahrein versucht den Spagat. Das macht das Königreich zum Ausflugsziel der Anrainer, saudische, katarische und kuweitische Autonummern sind, besonders am Wochenende, eine übliche Erscheinung im Straßenbild, was wegen deren freizügiger Auslegung der Verkehrsregeln nicht gerade zur öffentlichen Sicherheit beiträgt. Doch das sind die Touristen, die das Geld ins Land bringen.
An der Bar ist der Anblick der Herren in weiß mit einem Bier nicht ungewöhnlich. In den Schnapsläden aber stehen Schilder, daß der Allohol nicht an Muslime verkauft wird. So sitzen sie also draußen in ihren fetten Autos und hupen, damit man ihnen das Zeug rausbringt. Es gibt sogar Bestrebungen, den Alkoholverkauf zu verbieten. Klappt das? In der Zeitung stand, im letztjährigen Ramadan hätten sich die Besucherzahlen erhöht, obwohl kein Schluck ausgeschenkt wurde. Wußten die Besucher vor Ankunft, daß die Bars dunkel und das Bier weggesperrt war?
Parlamentsmitglieder hatten sich auch über die Einreise von 600 weiblichen Thais zu Ramadan beschwert. Bigotterie?
Bahrein soll ein Familienparadies werden, sauberer Tourismus ist die Devise, aber was gibt es noch zu tun außer im Auto von einem frostigen Einkaufszentrum zum nächsten zu pilgern? Ein weiter Weg zum Ziel, scheint es.

[] Manama / Sonntach, 21. Mai 2006

Muharraqs Moscheen.

    

[] Manama / Sonnahmt, 20. Mai 2006

Muharraqs Häuser.

    

[] Manama / Sonnahmt, 20. Mai 2006

Muharraq.

Die Insel Muharraq ist mit Brücken an Bahrein gebunden und schwimmt just nördlich der Hauptstadt. Hier stehen sie noch, die alten Häuser, bis vor ein paar Jahren reichlich unbeachtet. Nun erinnert man sich ihrer und einige wenige, die noch nicht zerfallen oder gesichtslosen Neubauten gewichen sind, werden herausgeputzt und der Öffentlichkeit zur Besichtigung dargeboten. Die Sonne stürzt sich auf uns, der Schweiß läuft. Natürlich ist auch der Suq ausgestorben - welcher normale Mensch rennt denn in der Mittagshitze des Sommers in der Stadt umher?

[] Manama / Donnerstach, 18. Mai 2006

Nachwuchs auf Tour.

Die juvenile Neugier trieb ihn wohl in die Werkstatt, etwas Ungewöhnliches heutzutage. Seine Mama schimpfte und schimpfte aus der sicheren Entfernung hoch oben auf der Mauer 'Komm endlich her, du Rüpel! und flatterte aufgeregt und ängstlich mit den Flügeln, denn dieser riesige Mensch hatte sich bedrohlich genähert, keiner konnte wissen, was er im Schilde führte. Der Kleine wich immer weiter zurück, Angst und Neugier im Blick. Dann hatte der Mensch endlich ein Einsehen und verschwand, um die Erkundungstour des Nachwuchses nicht weiter zu stören.

[] Manama / Sonntach, 14. Mai 2006

Da fliegt dir doch das Blech weg.

Warum stelle ich mich in diese schummrige rauchige Kneipe, wo das kreischende Lautsprechersystem mir die Flimmerhärchen verknubbelt? Was mache ich hier? Ich hab 9BD Eintritt gezahlt und kann den ganzen Abend frei saufen, Gin Tonic bis zum Umfallen. Und irgendwann ist die Musik auch garnicht mehr so störend, wir wippen mit, lächeln, sind frei und beginnen zu schweben, erst über der tanzenden Menge, dann hinaus an die Luft, zurück ins Heim, wo das Bettchen wartet. Laute Stille, schneller Schlaf.

[] Manama / Sonntach, 14. Mai 2006

Da hamwa den Salat.

Jeder eingefleischte Single, sei er auch Vegetarier, kennt wahrscheinlich die Probleme des Alleinessens. Ein paar davon kann man schon vermeiden, wenn man das elfte Gebot befolgt: Du sollst nicht hungrig einkaufen gehen. Man erspart sich das Wegwerfen halbvoller Packungen grünlich pelzigen Aufschnitts, flotten Otto und den notgedrungenen Verzehr trocken-verbogener Käse- und Brotscheiben.
Wenn es ans Zubereiten geht, kommt ein anderes Problem:

… Wie macht man ein buntes und frisches Essen, ohne tausend halbe Gemüse zurück in den Kühlschrank zu schicken oder sich zu überfressen? Eine der letzten Herausforderungen für den modernen Menschen.
Ich habe heute die Zutaten, die schon vom letzten Mal übrig waren und die, welche immer reinmüssen, zerschnippelt und der Teller war schon voll. So wurde dann aus dem Tomatensalat ein Thunfisch-Schafskäsesalat mit Tomate (auf den Plätzen: Zwiebel, Knoblauch und Ingwer - besonders letzteres feingeschnitten und zerquetscht, es gibt wenig Ekligeres als auf ein Stück Ingwer zu beißen, Olivenöl und Balsamico, Pfeffer, Salz). Im Konsum gab es heute Vollkorn Bread, richtig dunkel und fest, nicht weiß und fluffich!
Stimmt es eigentlich, daß man mit einem Glas Milch den Oralgeruch der zwei Knoblauchzehen loswird? Ich glaubs nich. Obendrauf dann doch noch einen Schokopudding. Schon bin ich wieder satt bis morgen mittag.

[] Manama / Dienstach, 09. Mai 2006

Warten auf den Fischer.

   
Zu Dutzenden liegen die Dhaus am frühen Abend im Hafen von Sitra und warten geduldig auf ihre Fischer, mit denen tuckern sie dann hinaus, zerstreuen sich in alle Richtungen um dem Meer noch etwas vom vergehenden schuppigen Reichtum abzuluchsen. Die Bootsrümpfe sind übrigens inzwischen weitestgehend aus glasfaserverstärktem Kunststoff.

[] Manama / Sonntach, 07. Mai 2006

Die ersten Wolkenkratzer.

    
Es wird leichter, sich in Manama zu orientieren, jetzt, da die ersten Wolkenkratzer aus dem Boden wachsen. Es sind dies das BWTC, also das Bahrain World Trade Center und die ersten Türme des BFH, des Bahrain Financial Harbour. Ersteres soll seinen Strombedarf bis zu 35 Prozent selbst gewinnen durch 3 Windturbinen, die zwischen den Doppeltürmen angebracht werden. Leider ist bei dem tragischen Bootsunglück ein Großteil der oberen Chargen der Erbauer gestorben, somit wird es zu einiger Verzögerung kommen. Letzteres gehört zu einem der ambitionierten Projekte, auf die ich bereits hingewiesen habe. Und nun wartet noch ein Superlativ auf seine Freigabe: Der höchste Turm der Welt.

[] Manama / Sonnahmt, 06. Mai 2006

Taxi Taxi.

Ich wollte nur ein Taxi, eins mit Taxameter, eins wo man nicht um den Preis feilschen muß, der dann doch viel zu hoch ausfällt, eins in dem man sich nicht übers Ohr gehauen fühlt, eins wo der Fahrer nicht ständig stehenbleibt und mit seinen Kollegen schwatzt oder nach neuen Fahrgästen Ausschau hält, eins, dessen Fahrer sich in der kleinen Stadt auskennt und trotzdem den kürzesten Weg nimmt. Am schwarzen Brett im Büro hängen zwei Nummern aus, ich schrieb mir die 17266266 ab. Ich rief also eines Abends dort an (leider war gerade Schichtwechsel und meine Anfrage fiel erstmal unter den Tisch, aber eine halbe Stunde später fragte ich nochmal nach) und hatte Glück: noch eine Viertelstunde später traute ich meinen Augen kaum: vor der Tür stand eine gut polierte S-Klasse. Ungläubig stieg ich ein und nachdem ich mein Fahrziel angegeben hatte, wurde das Taxameter eingeschaltet und los ging die Fahrt. Kein Feilschen, kein unrasierter mürrischer alter Sack am Steuer, sondern gediegene Oberklassenbeförderung. Beim Preis ergab sich ein minimaler Unterschied, der durch das entspannte Dahingleiten ausgeglichen wurde.

[] Manama / Mittwoch, 03. Mai 2006

Heraus zum ersten Mai!

   
Da waren wir ziemlich überrascht, daß die bahreinischen Gewerkschaftsmitglieder in Manama ihre Verbundenheit mit der internationalen Arbeiterklasse demonstrieren! Um ehrlich zu sein, ich habe die Arbeitstiere, die untersten Chargen, die indischen, pakistanischen, philippinischen Knechte, die für fürstliche 500 Fils in der Stunde ganz Arabien errichten, nicht unter den fröhlichen Fahnenschwenkern erblicken können, ebensowenig Repräsentanten der allseits geschätzten ausländischen Hausmädchen. Womöglich hatten sie nicht die Zeit oder das Geld übrig, der Arbeit fernzubleiben.

[] Manama / Dienstach, 02. Mai 2006

...und hier geht's weiter in die Vergangenheit.